Mittwoch, 20. August 2014

Zick-Zack am Hintisberg

Es war für diesen Tag super Wetter angesagt. Jedenfalls im Verhältnis zu den anderen Tagen. Das hieß soviel wie: gute Chancen, nicht in den Regen zu kommen. Zum krönenden Abschluss unseres Alpensommers entschlossen wir uns noch einmal klettern zu gehen.

Wir fuhren zum Hintisberg, um dort die Route Zick-Zack zu klettern. Die Route hat fünf Seillängen, die maximal 6b schwer sind. Ersteinmal mussten wir natürlich den Parkplatz und dann den Einstieg finden. Die Zeichnung im Topo wollte nicht wirklich Sinn machen und so fuhren wir erst einmal zu weit, wieder zurück, fanden keinen Parkplatz und parkten schließlich in einer Haltebucht an einem kleinen Klettererklohäuschen.

Chuck im Nachstieg in der zweiten Seillänge (6a)
Vom Parkplatz aus stiegen wir den Fahrweg wieder etwas ab und schlugen dann einen Pfad hinauf zu den Felsen ein. Der Pfad war an einigen Stellen von Kühen zertreten und führte teilweise auch durch Gras, welches noch ziemlich nass war. Als wir immer mehr auf Einstiegshöhe anstiegen, wunderten wir uns ein bisschen, dass der Pfad sich eher nach rechts als nach links zu den Felsen hinzog. Wir waren wohl auf dem Wanderweg gelandet, welcher über einen Pass auf die andere Seite des Hintisberg führt. Also querten wir über einen grasigen Hang und stiegen wieder etwas ab, um auf den nun von oben sichtbaren Pfad zum Einstieg zu gelangen.


Das Klettergebiet war ziemlich leer, weil alles um die Wand herum im Nebel steckte und die Temperaturen eher anrieten, tiefer im Tal klettern zu gehen. Wir waren aber nun einmal hier und wollten nach dem langen Zustieg endlich in die Wand einsteigen.  

Quergang in der dritten Seillänge (5c+)
Die Kletterei war schön steil und man musste gut auf Tritte und Griffe achten, um nicht zu schnell dicke Arme zu bekommen. Wir hatten alles angezogen, was wir mithatten und dennoch waren die Sicherungspausen an den Ständen ziemlich unangenehm, da die Kälte durch die Jacken kroch.

Wieder am Wandfuß angekommen (im Bild ein gesunder Apfelsnack - während der Eierlikörtopfkuchen in der Tuppadose unter meinem Knie versteckt ist)
Weil hinter uns keine Seilschaft mehr in der Wand war, konnten wir oben angekommen problemlos wieder direkt über die Route abseilen. Das hochgelobte Panorama mit Blick auf Mönch, Eiger und Jungfrau, das man hier am Hintisberg haben sollte, blieb uns leider durch viele tiefhängende Wolken verwehrt. Nur kurz gaben die Wolken die Sicht auf verschneite Wandfragmente der großen Berge uns gegenüber frei.

Bei diesem Blick auf den Eiger hat die Bildbearbeitung ein bisschen nachgeschärft.
Die Route Zick-Zack mit ihren fünf Seillängen waren wir schnell geklettert und es war noch früh. Wegen der anhaltend niedrigen Temperaturen, entschlossen wir uns jedoch, es bei einer Route zu belassen. Wir verließen den Fels, an dem nun keine Kletterer mehr waren.

Montag, 18. August 2014

Dent d'Hérens (4171m), W-Grat ab Tiefmattenjoch

Vielleicht habe ich heute Nacht 14 Menschen vor dem Ersticken gerettet. Ich schrecke plötzlich auf und japse nach Luft in der verzweifelten Hoffnung, noch ein oder zwei Sauerstoffteilchen zu erwischen. Einmal mehr hat niemand das Fenster geöffnet, und so hole ich das, verbunden mit dem Gang zur Toilette, nach. Leider fällt es mir nun schwer, wieder einzuschlafen, was auch mit dem erhöhten Puls zusammenhängen mag.

Morgens um 3:30 kurz vor dem Aufbruch
Irgendwann zupft mich etwas am Arm - meiner Meinung nach gerade, als ich wieder im Land der Träume bin - und J.O. meint, es sei nun kurz vor 3:00 Uhr. Also ist der Nacht nun für uns zu Ende, und kurz darauf sind wir im Gastraum, um ein typisch schlechtes italienisches Frühstück zu uns zu nehmen.

Wir bringen das in 30 Minuten hinter uns. Mit uns sind noch ca. 10 weitere Gäste im Raum, und wie immer herrscht eine ziemliche Geschäftigkeit. Auch wir machen uns rasch für den Aufbruch bereit und starten - einmal nicht als Letzte - um 3:38 Uhr.

Der Himmel ist nicht wolkenlos, aber es scheint sich nur um ein paar Nebelfelder zu handeln. Im Licht unserer Stirnlampen und den anderen folgend gehen wir zunächst wieder ein Stück den Hüttenweg zurück, um den First einer Moräne zu erreichen. Diesem folgen wir dann für eine Stunde, bis wir den Glacier des Grandes Murailles in ca. 3000m Höhe erreichen.

Hier legen wir Steigeisen und - im Gegensatz zu den anderen Gruppen - auch das Seil an. Ich bin ein wenig erstaunt, dass die anderen den Gletscher seilfrei gehen. Nach einem kurzen flachen Anstieg folgt ein erster steiler Aufschwung am linken Rand eines Eisbruchs. Der Firn ist aufgrund der kalten Nacht sehr gut und wird es auch für die gesamte Dauer der Tour bleiben. Leider beginnt die Flüssigkeit in meinem Trinkschlauch sich ebenfalls in Eis zu verwandeln, so dass ich bald kaum noch etwas hindurchsaugen kann. Bei J.O. sieht es noch etwas besser aus, und so darf ich mich dort bedienen.

Am Beginn des Grates, vom Tiefmattenjoch aus gesehen
Um kurz vor 6:00 Uhr erreichen wir den Fuß des Tiefmattenjochs. Dort hinauf zieht eine übel aussehende steile Rinne. Sie lässt sich dann auch genauso übel gehen wie sie aussieht und wäre vermutlich kaum passierbar, wenn sie nicht durch Stahlketten und dicke Taue entschärft wäre. Als wir das Joch in 3565m Höhe erreichen, bekommen wir den schon vorher unangenehm kalten Wind nun voll zu spüren. Wir haben schon vorher die winddichten Softshells und die dicken Handschuhe angezogen, werden aber trotzdem und trotz der Anstrengung nicht mehr richtig warm.

Erste Sonnenstrahlen über Grand Combin und Mont Blanc
Inzwischen ist es hell geworden, und von nun an genießen wir die eindrucksvollen Tiefblicke nach Norden auf die Schweizer Seite des Berges. Eindrucksvoll ist auch die Kletterei über den felsigen Teil des W-Grates. Er ist stellenweise sehr schmal und weist Kletterstellen im III. Grad auf. Und auch hier liegt mehr Schnee als gewöhnlich. Allerdings ist der gut verfestigt und stört nicht sehr, da wir sowieso alles mit Steigeisen klettern.

Wir gehen noch ohne Seil, das wir unterhalb des Joches wieder eingesteckt haben - genau genommen liegt es in J.O.'s Rucksack. So kommen wir zügig voran, wofür wir allerdings den Preis der ein oder anderen etwas heiklen Stelle bezahlen. Wir sind noch knapp hinter einer französischen Dreierseilschaft, die wir gegen Ende des Felsgrates überholen und der wir bis kurz vor unserem Auto immer wieder begegnen werden!

Am Ende des Felsgrates
Es folgt nun ein Firngrat und dann der obere Teil der Westflanke. Von hier sieht es so aus, als müssten wir gleich oben sein, dabei liegen noch fast 500 Höhenmeter vor uns! Und so kämpfen wir uns eine ganze Weile gegen die dünne Luft und den eiskalten Wind die immer steiler werdende Flanke hinauf.

In der steilen Gipfelflanke
Schließlich geht es sehr steil zum obersten NW-Grat hinauf. Hier befinden sich sogar ein paar Sicherungsstangen im Fels, die wohl bei "normalen" Verhältnissen den Aufstieg über splittrige glatten Platten sichern. Heute ist von diesen Felsen allerdings nichts zu sehen.


Am NW-Grat angekommen, erreicht uns endlich auch die Sonne. Leider hat sie keine Chance, uns etwas aufzuwärmen, da uns gleichzeitig der Wind nun mit voller Kraft erwischt. Der kurze Grat zum Hauptgipfel ist dabei so schmal, dass wir nun wieder das Seil herausholen und voll konzentriert die felsdurchsetzte Gratschneide passieren.



Es ist 09:05 Uhr, als wir auf dem Gipfel des Dent d'Hérens stehen. Die Aussicht ist überwältigend, besonders auf das direkt östlich angrenzende und tief verschneite Matterhorn. Außer uns ist noch ein italienisches Paar hier oben, und so bekommen wir sogar ein Gipfelfoto von uns beiden auf dem sehr kleinen höchsten Punkt.

Höher geht es nicht mehr!

Matterhorn mit Mischabelgruppe links und Monte Rosa rechts
Wir bleiben nur kurz, da wir vor Kälte beginnen zu zittern. Nicht einmal eine kleine Stärkung gönnen wir uns hier. Der Abstieg führt bis auf eine Höhe von 3800m entlang des Aufstiegs, also den größten Teil der Gipfelflanke wieder hinunter. Dann biegen wir in die Südflanke ab, über die der Normalweg führt. Diese Flanke ist im oberen Teil ebenfalls ziemlich steil und zur Zeit durchgehend mit gut tragendem Schnee bedeckt. Das ist in "normalen" Sommern wohl inzwischen anders und nicht gerade besser. Wir kommen jedenfalls gut voran, auch wenn wir natürlich weiterhin sehr konzentriert absteigen müssen.

Aufstieg links über den Felsgrat, Abstieg rechts über die Schneeflanke
Schließlich wir die Neigung geringer und der Weiterweg einfacher. Wir genießen die nunmehr intensive Sonne und tauen langsam auf. Am Ende des Gletschers angekommen, gönnen wir uns dann auch endlich noch eine etwas längere Pause. Um kurz vor 13:00 Uhr sind wir wieder an der Hütte, wo wir uns mit einer Tafel Schokolade und einem Käseteller für den langen Rückweg zum Auto stärken.

Bereit (?) für den Abstieg

Um 13:45 Uhr verlassen wir die Hütte. Den ersten steilen Moränenhang bringen wir rasch hinter uns, doch bald schon merken wir, dass wir bereits seit 3:00 Uhr auf den Beinen sind. Selbige werden zunehmend schwerer, und der Weg erscheint uns noch deutlich länger als er uns gestern schon vorkam. Es folgt das beliebte gegenseitige Aufzählen der Körperteile, die nun schmerzen. Was die beweglichen Teile angeht, wäre es vielleicht einfacher, diejenigen zu nennen, die nicht schmerzen.

Kurz vor Erreichen der Staumauer und damit dem Ende unseres langen Fußwegs bitte ich ein älteres italienisches Paar, von uns ein Foto mit "unserem" Berg im Hintergrund zu machen. Ob es an meinem Italienisch, unserem gepflegten Äußeren oder dem von uns ausgehenden Wohlgeruch liegt, dass meine Bitte zunächst nicht auf Begeisterung stößt, vermag ich nicht zu sagen. Jedenfalls wird die Bitte erfüllt.

Die Besteiger mit dem Bestiegenen links hinten
Um 17:45 Uhr erreichen wir unser Auto. Nun liegt noch die viereinhalbstündige Rückfahrt vor uns. Wir wechseln uns beim Fahren ab und kommen zwar total müde aber zufrieden um 22:30 Uhr wieder an unserer Unterkunft an. Nach einem schnell zubereiteten Nudelgericht fallen wir in die Betten.


Freitag, 15. August 2014

Dr blau Chäfer - Spannende Kletterei im Melchtal

Das Wetter ist nach wie vor nicht stabil und lässt keine großen Aktionen zu. Also überlegen wir, es trotz der Probleme mit J.O.s Arm einmal wieder mit Klettern zu versuchen. Im Gegensatz zur letzten Tour an den Engelhörnern soll nun aber das Klettern selbst im Vordergrund stehen und nicht so sehr das alpine Gesamterlebnis.

Ich habe im Plaisir-Führer Ost, den ich bisher immer unbenutzt mit im Urlaub hatte, ein interessantes Gebiet entdeckt: das Melchtal. Es zweigt von der Straße nach Luzern ab und ist in einer knappen Stunde zu erreichen. Dort gibt es Routen mit Wandhöhen von ca. 200m und Kletterschwierigkeiten oftmals im Bereich bis max. 6c.

Im Bereich Cheselenflue wartet noch eine besondere Überraschung auf den Kletterer: das Abseilen ist laut Führer mir etwas für mit der Abseiltechnik vertraute Menschen, die überdies über ein gutes Nervenkostüm verfügen. Warum, wird später verraten.

Das Wetter ist leider einmal mehr als grenzwertig zu bezeichnen, als wir nach ausgedehntem Frühstück aufbrechen. Immerhin regnet es nicht, aber es ist kalt und grau. Die Fahrt über den Brünigpass und ins Melchtal verläuft problemlos. Wie wir feststellen, muss es hier wohl ein größeres Skigebiet geben. Und einmal mehr müssen wir ab einem unserer Meinung nach willkürlich festgelegten Punkt - in dem Fall die Häuseransammlung Stöckalp - ein Ticket ziehen, um die Straße weiter befahren zu dürfen.
Nicht weit hinter der Mautstelle erreichen wir den Parkplatz. Von hier aus steigen wir ca. 45min bis unter die Felswand auf.
Gemütliches Plätzchen am Einstieg
Unser Sektor heißt Chaltbach, und das Besondere hier ist, wie schon erwähnt, das Abseilen. Die Routen hängen nämlich so stark über, dass man beim Abseilen den jeweils nächsten Abseilstand nicht erreichen würde, gäbe es da nicht fest installierte Hilfsseile, die von Abseilpunkt zu Abseilpunkt gespannt sind, und mittels derer man sich, am nächsten Stand angekommen, an selbigen heranziehen muss. Wir sind gespannt, wie uns das gefallen wird.

Topo, unsere Route ist die Nr. 6
Zunächst einmal müssen wir ja aber oben ankommen. Dazu haben wir uns die Route "Dr Blau Chäfer" ausgesucht, zu gut Deutsch "Der blaue Käfer". Es handelt sich dabei um sechs Seillängen mit den Schwierigkeiten 5c, 6a+, 6a+, 6a+, 6a+, 6a. Also schön homogen!

Ich starte in die erste Seillängen, die, wie könnte es anders sein, im unteren Teil noch nass ist. Aber das stört nicht weiter. Die folgenden Seillängen sind alle sehr steil und wunderbar zu klettern. Dazu kommt eine perfekte Absicherung und ein unglaubliches Ambiente. Ein wenig nachdenklich stimmen uns die erwähnten frei in der Luft baumelnden Hilfsseile.

In der zweiten Seillänge

Die folgenden Bilder und das Video zeigen recht eindrücklich, wie steil und ausgesetzt es in der Route zur Sache geht.

Steiler Start in  die dritte Seillänge

Nach dem Dach in der vierten Seillänge

Frei hängendes Hilfsseil in der Nebenroute



Am Stand der fünften Seillänge
Für meinen Geschmack zu schnell ist die Kletterei zu Ende. Die letzte Seillänge ist leider auch nass, was in dem Fall wirklich behindert. Nun gilt es aber, uns auf das Abseilabenteuer zu konzentrieren. Im Gegensatz zu sonst benutzen wir heute dazu auch die sog. Kurzprusik. Dabei handelt es sich um eine um das Seil gewickelte und in einen am Gurt fixierten Karabiner eingeklinkte Reepschnur, die man beim Abseilen einfach mitführt, die aber, falls man versehentlich das Bremsseil loslässt, blockiert und somit das weitere Abrutschen verhindert.
Das erste Hilfsseil hängt an einem Stand ca. 110m über der Erde, und von hier muss man 45m frei hängend abseilen, um dann ca. 10m entfernt vom nächsten Stand sich an diesem Seil dort heranzuziehen. Es ist J.O., der als erster geht, und ich bin nicht unbedingt neidisch darauf. Als ich nämlich dort ankomme, wo er anfangen durfte, sich am Hilfsseil zum Stand zu ziehen, kann er nun mich an unserem Seil ziehen, was mir das ganze erheblich erleichtert. Das folgende Video gibt einen ganz guten Eindruck dieser Abseilfahrt.



Die nächste Abseilstrecke ist nicht ganz so extrem, aber wir haben gehofft, mit unseren 60m Seilen direkt den Boden zu erreichen. Sie klatschen dort leider nicht auf, und so müssen wir noch einmal Zwischenstation machen. Es ist nun allerdings deutlich einfacher, sich an den Stand zu ziehen. Kurze Zeit danach sind wir wieder sicher am Boden. Das ist schon ein sehr spezielles Abseilen gewesen!
Wir stärken uns nun mit einem leckeren Kuchen und lassen uns mit dem Abstieg Zeit. Da man die Mautstraße jeweils stündlich nur in einer Richtung fahren darf und gerade eine "Bergauf"-Stunde dran ist, fahren wir auch einmal bis zum Ende in das ziemlich verbaute Skidorf Melchsee-Frutt. Als wir dann die Maut bezahlen müssen, sind wir, gelinde gesagt, "not amused" über den Preis von 16CHF! Irgendwie kommt es einem fast wie Wegelagerei vor. Jedenfalls werden wir beim nächsten Mal sicher in Stöckalp parken und den etwas längeren Fußweg in Kauf nehmen.

Trotzdem hat sich der Besuch dieses Gebietes belohnt, und wir werden sicher wiederkommen. Auf der Rückfahrt kurz vor Meiringen regnet es dann endlich wieder aus vollen Eimern. Da gleichzeitig jedoch talauswärts schon wieder die Sonne scheint, dürfen wir uns noch an einem wunderschönen Regenbogen erfreuen.


Dienstag, 12. August 2014

Engelhörner: Überschreitung Klein und Gross Simeler

Nach einem weiteren Schlechtwettertag mit Dauerregen sollte das Wetter am Dienstag wieder richtig schön werden. Wir stellten den Wecker auf 6:30 Uhr, um genug Zeit für eine alpine Unternehmung in den Engelhörnern zu haben. Der Wecker klingelte und wir zogen die Vorhänge auf. Dunkle Wolken pressten sich von Außen gegen die Fensterscheibe.

Unsere Planung war eine Überschreitung des Klein und Gross Simelers in den Engelhörnern. Der dortige Felsgrat ist größtenteils mit dem Schwierigkeitsgrad 2b bis 3b bewertet und auf den Gross Simeler gibt es zwei Seillängen im Grad 4b und 3b zu bewältigen. Die Schwierigkeiten sind eher gering, aber die Unternehmung ist relativ lang und sollte in ihrem alpinistischen Anspruch nicht unterschätzt werden.

Nach einiger Diskussion und ca. 45 Minuten später entdeckten wir eine kleine blaue Lücke zwischen den dunklen Wolken über dem nassen Teil des Dorfs, das wir vom Fenster aus sehen konnten. Wir beschlossen, unsere Tour zu versuchen. 

Aufstieg zur Engelhornhütte durch die Wolken

Mit knapp einer Stunde hinter dem Zeitplan stellten wir das Auto ab und bezahlten die Maut für die Benutzung der Straße an der Großreichenbach Alp. Die Gemeinde lässt sich das Befahren des kleinen Feldwegs mit 15 Franken (12 €) pro Tag vergüten. Die Älplerin konnte sich noch an uns erinnern und wir starteten den Aufstieg zur Engelhornhütte, wobei wir beinahe von ihrem Mann mit Mist beworfen wurden. Er mistete gerade die Kuhställe aus und seine Schubkarre stand direkt neben dem Wanderweg.

Glöckchengeklingel, Engelslocken und Hörner - typische Engelhornschafe

Der Boden und die Gräser waren noch total durchnässt. Um uns herum hingen dichte Wolken. Einige der besonders nahe am Boden ziehenden Wolken fingen an zu klingeln und bekamen Beine und Hörner, wodurch wir sie beim Näherkommen als Schafe erkannten.

An der Engelhornhütte sahen wir nur die Hüttenleute. Es waren noch nicht viele Gäste unterwegs. An dem Tag sahen wir außer uns keinen einzigen Kletterer in den Engelhörnern. Die meisten Felsen waren noch sehr nass.

Aufstieg zum Grat

Den Einstieg des Grates auf dem wir erst zum Klein Simeler und dann zum Gross Simeler gelangen wollten ist relativ weit oben. Von der Hütte brauchten wir noch ca. 50 Minuten um die 200 Höhenmeter bis zum Einstieg des Grates zurückzulegen. Auf dem Weg dorthin ging es über grasige Hänge, die vor Wasser trieften. Meine leichten Laufschuhe waren schnell voller Wasser und auch an den Hosenbeinen kroch die abgestreifte Flüssigkeit nach oben.

Literweise Wasser zur Aufnahme in die Schuhe und Hosenbeine

Gras-Grat auf dem Zustieg mit Blick nach Gschwantenmad

Der Fels war gleich am Einstieg etwas steiler und von zweifelhafter Festigkeit. Da er auch noch nass war, entschlossen wir uns, das Seil auszupacken und den Aufstieg abzusichern. Im folgenden Bild sieht man Chuck in einer Wolke stehen. Später kam es auch vor, dass wir uns gar nicht mehr sehen konnten. Das andere Ende des Seils verschwand einfach in einer Nebelwand.

In der zweiten Seillänge nach einem Quergang

Ein bisschen gewöhnungsbedürftig war die Kletterei in dieser Stimmung schon. Nach einer Weile des Vorsteigens, Standbauens und Nachsicherns entschieden wir uns, in einfacherem Gelände am langen Seil gemeinsam zu Klettern.


Ungefähr als wir den Klein Simeler erreichten, machten die Wolken eine Mittagspause. Es war auch schon 13:15 Uhr und wir gönnten uns bei lang ersehnter Sicht in die Umgebung auch eine kleine Pause, bevor wir uns vom Klein Simeler hinunter auf den Grat und Weiterweg abseilten.

Am Klein Simeler

Teile des Weiterwegs, welcher den Verbindungsgrat vom Klein Simeler zum Gross Simeler darstellt, kannten wir schon von unseren Abenteuern aus vergangenen Jahren, als wir in den anspruchsvollen Platten des Gross Simelers kletterten. Heute waren diese Routen im unteren Teil noch zu nass und wir hatten den ganzen Berg für uns.

Erklimmen des steilen Verbindungsgrats zum Groß Simeler

Nach zwei Seillängen steiler und gut griffiger Kletterei erreichten wir den Gipfel des Gross Simelers auf knapp 2500m. Es war mittlerweile schon nach 15:00 Uhr und die Wolken waren längst vom Mittagsschlaf zurück. Wir saßen auf der kleinen Felsinsel des Gipfels und hier und da ragte mal ein gegenüberliegender Zacken aus den Wolken.

Eintrag ins Gipfelbuch

Nach dem Eintrag ins Gipfelbuch und dem Gipfelfoto machten wir uns an den Abstieg, der auch nicht ganz ohne war. Die ersten 20 Meter mussten wir über steiles Gelände absteigen, um betonierte Abseilhaken zu erreichen, über die wir uns dann steil in den Simelisattel abseilten. Über Schrofengelände und abermaliges Abseilen gelangten wir in den oberen Kessel zwischen der Vorderspitze und den Simelern. Wir schafften es auch dieses Mal, heile den Kessel hinunter bis zu einer nassen Rinne zu kommen, durch die man abseilt, um endlich wieder das Geröll des Ochsentals zu erreichen.

Gipfelfoto auf 2482m

Der Abstieg vom Gipfel bis zur Engelhornhütte dauerte knapp zwei Stunden. Wir belohnten uns dort mit einem frischen Getränk und einem Stück Kuchen. Die Tour hatte inklusive der Pausen von Hütte zu Hütte gute sieben Stunden gedauert. 

Ausblick zum Wetterhorn

Den Abstieg von der Hütte schafften wir noch, ohne von einem Schauer erwischt zu werden. Als wir um 19:00 Uhr wieder im Auto saßen, fielen ein paar Tropfen auf die Windschutzscheibe. Unsere Heckscheibe zierte ein kleiner Engel von dem wir nicht wissen, von wem und warum er dort angebracht wurde.

Engelaufkleber auf der Scheibe (besser als ein Strafmandat wie am Susten)

Sonntag, 10. August 2014

Sustenhorn (3503m) von der Tierberglihütte

Das Wetter und die daraus resultierenden Verhältnisse in den Bergen machen die Planung ziemlich schwierig. Für den heutigen Tag sollte wieder ein geringeres Risiko von Schauern und Gewittern bestehen. Der Mitarbeiter in einem Bergsportladen hier in Meiringen hatte uns am Vortag erklärt, dass seinem Gefühl nach der vom Wetterbericht her unkalkulierbare Föhn eintreten würde und die Region um den Sustenpass von schlechtem Wetter frei halten sollte. Wir planten entsprechend eine Tour zum Sustenhorn.

Der Normalweg auf das Sustenhorn ist eine Hochtour, für die man morgens von der Tierberglihütte aus startet. Die Hütte selber kann man vom Hotel Steingletscher in drei Stunden erreichen. Über das Fahren auf einer gebührenpflichtige Straße kann man den Fußweg zur Hütte auf zwei Stunden verkürzen.

Wir entschlossen uns, am nächsten Morgen etwas früher aufzustehen und den Hüttenweg vor die Tour anzuhängen. So sparten wir uns die Nacht in einem eventuell vollen und lauten Lager und die Preise für die Übernachtung.

Hüttenfrühstück um 2:45 Uhr (in der Ferienwohnung)

Nach dem Frühstück fuhren mit dem Auto zum Hotel Steingletscher unterhalb des Sustenpass. Von dort aus lösten wir die Bewilligung für die Privatstraße am Automaten. Am Ende der kleinen Straße auf ca. 2100m Höhe parkten wir das Auto und gingen zu Fuß weiter auf dem markierten Hüttenweg zur Tierberglihütte. 

Aufbruch auf ca. 2100m Höhe am Ende der Privatstraße
Der Hüttenweg ließ sich gut finden. Nach einiger Zeit über einen Schotterweg wurde der Weg steiler und steiniger. Man musste teilweise über ein paar plattige Stellen im Fels hinwegsteigen und gewann schnell an Höhe. Noch auf dem Weg zur Hütte wurde es langsam dämmerig.


Bevor wir die Hütte erreichten, erreichte uns ein starker Wind. Auf den letzten Metern zur Hütte kühlte uns der Wind ziemlich aus. Die Temperaturen waren eigentlich sogar zu hoch doch der Wind verdeckte hier oben diesen Umstand.

Tierberglihütte auf 2795m

Die Tierberglihütte als erste Etappe unserer Tour erreichen wir nach knapp zwei Stunden um 6:07 Uhr. Wir stiegen kurz hinter der Hütte auf den Gletscher ab und seilten uns an. Mittlerweile war es so hell, dass wir die Stirnlampen nicht mehr brauchten. Obwohl alles kalt war, schmiertern wir uns die Gesichter noch mit Sonnencreme ein und starteten unseren Anstieg über den Gletscher.

Anseilen unterhalb der Hütte auf dem Gletscher

Wie erwartet waren wir nicht die einzigen, die heute das Sustenhorn besteigen wollten. Von der Hütte aus waren schon einige Seilschaften gestartet. Eine davon war direkt vor uns auf dem Gletscher.


Die Sicht auf der Tour war unterschiedlich schlecht. Mal steckten wir in dicken Wolken und mal konnte mal ein paar Dinge in näherer Umgebung erkennen. Die Orientierung war durch die gute Spur auf dem Gletscher kein Problem. 


Nicht ganz perfekt waren die Firnverhältnisse. Auf einem Teil des Gletschers hinter der Hütte hatten sich wässrige Schneematschfützen gebildet. Später wurde der Schnee weniger nass, man stapfte jedoch immer noch durch weichen Firn. Da viele Teile der Route den Gletscher queren und nicht so steil sind, wäre man bei festem Firn sicher ziemlich fix vorangekommen.


Auf dem obigen Bild sieht man Chuck am etwas steileren Hang des Sustenhorns, nachdem wir den flachen Teil des Gletschers verlassen hatten. Gut zu erkennen sind die tiefen Löcher, welche unsere Spur ausmachen. Der Schnee war durch die hohen Temperaturen ziemlich weich und so sackten wir bei jedem Schritt ein bisschen ein.

Eine Seilschaft mit der wir gestartet waren am Hang des Sustenhorns

Ganz oben in klein ist das Gipfelkreuz zu erkennen

Der Gipfel versteckte sich ziemlich gut erst in den Wolken und später hinter dem weiten Hang des Sustenhorns. Wie sahen ihn erst relativ spät auftauchen und dann zog es sich noch ein bisschen hin, bis wir ihn erreichten.

Chuck auf dem Gipfel des Sustenhorns

Wir erreichten den Gipfel des Sustenhorns auf 3503m um 9:34 Uhr. Wir waren in den letzten fünfeinviertel Stunden ca. 1400 Höhenmeter aufgestiegen. Die Wolken gaben einen kleinen Einblick ins Tal, versteckten aber weiterhin die umliegenden höheren Gipfel. Viel Sonne hatten wir noch nicht gehabt. Es war ziemlich windig auf dem Gipfel und wir entschieden uns, für unsere Rast wieder ein bisschen abzusteigen.

Seilschaft vor uns im Abstieg

Der gesamte Abstieg vom Gipfel bis zur Hütte dauerte inklusive Pause noch einmal zwei Stunden. Es ging der Aufstiegsspur entlang über den Gletscher zurück. An der Hütte trockneten wir das Seil, welches sich auf dem Gletscher ziemlich vollgesogen hatte, und aßen ein Stück Kuchen mit Kaffee und Kakao.

Blick vom Abstieg hinunter zum Sustenpass

Nach ca. 40 Minuten auf der Hütte packten wir wieder unsere Rucksäcke, obwohl noch nicht alles getrocknet war. Die Wolken in Richtung des Sustenpass gaben immer mehr den Blick auf unser Abstieg und unser Ziel frei. Nach einem schnellen Abstieg von 1h20 erreichten wir den Parkplatz, auf dem nun noch ein paar mehr Autos standen.


Bei der Abfahrt bemerkten wir einen kleinen Umschlag, der an den Scheibenwischer geklemmt war. Es handelte sich um eine Nachzahlungsforderung, da wir keinen Parkschein gehabt hätten. Unser gelöster Parkschein war auch tatsächlich nirgends zu sehen. Als wir uns am Morgen die Bergschuhe anzogen, fegte der Wind durch das Auto und blies den Parkschein weg. Ich legte ihn zurück aufs Armaturenbrett nahe der Scheibe. Entweder hat ihn der Wind noch einmal entfernt, oder er ist zwischen die Scheibe und das Armaturenbrett gerutscht. Er war nicht wiederauffindbar. Am Ende haben wir inklusive der Strafe die dreifache Parkgebühr gezahlt.