Montag, 4. August 2014

Wetterhorn (3692m) über Willsgrat

Der Wecker in unserem Privatlager klingelte um 3:00 Uhr. Draußen sah man die Sterne am Himmel, aber auch ein paar niedrige Wolken an den Bergen. Wir packten unsere Rucksäcke und machten die Betten. Auf Hütten in den Alpen ist es Pflicht, morgens die Decken zusammenzulegen und alle Gegenstände aus dem Lager zu entfernen. So ist gesichert, dass die nächsten Gäste bei Ihrem Eintreffen auf der Hütte das Lager belegen können. Auch wenn man zwei Nächte auf einer Hütte bleiben wollte, ist die Räumung des Lagers obligatorisch.  

Morgens, halb vier, auf der Glecksteinhütte

Um 3:30 Uhr saßen wir am Frühstückstisch. Der Gastraum der Glecksteinhütte wurde über Nacht durch erzeugte Restenergie des Tages geheizt, und so konnten wir im T-Shirt frühstücken. Es gab leckeres Müsli wahlweise mit und ohne Zucker und Cornflakes mit Joghurt. Neben Marmelade gab es auch Käse zu dem relativ frischen Brot. Die Glecksteinhütte wird alle ein bis anderthalb Wochen durch den Hubschrauber mit frischen Lebensmitteln versorgt. 

Anziehen der über Nacht getrockneten Schuhe

Wir packten unsere Rucksäcke und sortierten noch einige Dinge aus, die wir in Körben auf der Hütte verstauten, da wir sie am Nachmittag erst wieder abholen wollten. Die Hüttenschlafsäcke und Zahnbürsten würden wir am Berg wohl kaum benötigen. Alles gepackt und die Rucksäcke geschultert hatten wir um 4:12 Uhr, als wir die Hütte verließen und in Richtung des Chrinnengletschers aufbrachen. Es war nicht besonders kalt, und der Wanderweg, dem wir anfangs folgten, war sehr gut markiert, so dass wir ihn mit unseren Stirnlampen gut finden konnten. 

Grindelwalder Gletscher und Schreckhorn

Um ca. 6:00 Uhr erreichten wir den Chrinnengletscher, an dem wir unsere Steigeisen, Gurte und das Seil anlegten. Der Firn auf dem Gletscher war gut begehbar, und nach 40 Minuten kamen wir auch schon am Ende der Spur an, die wir auf dem Gletscher vorgefunden hatten. Hier ging es wieder in den Fels. Wir folgten einem rotgelben Granitrücken, bis wir dunklen Kalk erreichten. Die abwärtsgeschichteten Kalkplatten stiegen wir noch etwas an. Bei Vereisung soll dieser Teil kaum passierbar sein. An der ein oder anderen feuchten Stelle konnten wir die Warnung vor Vereisung gut nachvollziehen. Zum Glück war es ja warm.

Wir hatten die Rechnung allerdings ohne einen Einschnitt gemacht, den wir vor dem Erreichen des Willsgrätli noch queren mussten. In diesem Einschnitt lief eine Menge Schmelzwasser über die noch nicht sonnenbeschienenen Felsen. Auf den Felsen hatte sich Eis gebildet. Dieser nur einen Meter breite kleine Bachlauf war uns ohne Steigeisen zu heikel. Wir legten also wieder einmal die Steigeisen an.

Vereister Kalk

Nach der Querung zogen wir die Eisen wieder aus. Es war nicht mehr weit bis zum Beginn des Willsgrätli, einem teilweise scharf zu beiden Seiten abfallendem Grat, den wir um kurz nach 8:00 Uhr erreichten. Während uns zwischendurch schon einmal dichte Wolken umwabert hatten, zog es wieder mehr auf. Man konnte zwischenzeitlich den Gipfel und unseren ganzen Weiterweg sehen. Wir realisierten bei der erreichten Höhe und dem nun beginnenden anspruchsvollsten Teil der Tour, dass wir noch einiges vor uns hatten. Bei ein bisschen Sonne machte die Kletterei auf dem ausgesetzten Grat aber richtig Spaß und wir kamen gut voran.

Willsgrätli vor dem Wettersattel

An einer etwas anspruchsvolleren Stelle (der Grat ist mit maximal III bewertet) holten wir das Seil heraus und sicherten zwei Seillängen. Den Grat verließen wir kurz unterhalb des Wettersattels in eine Firnrinne, die uns in den ca. 3500 hohen Sattel brachte. Mittlerweile war es schon nach 9:30 Uhr. Von hier aus sollte es laut Führer noch zwischen einer halben und einer Stunde bis zum Gipfel dauern. Wir machten uns also auf zur letzten Etappe.

Oberhalb des Wettersattels im weichen knietiefen Pampschnee

Der Schnee sank unter meinen Füßen einfach weg. Ich rutschte teilweise bis über die Knie in feuchten, weichen Schnee. Wir kämpften uns zu einer erkennbaren Spur in der Hoffnung, dass die Tritte der anderen Bergsteiger den Schnee verfestigt hatten. Es half leider kaum etwas, in der Spur zu gehen. Auch dort brachen wir ein. Nach dem Firnverbindungsstück vom Wettersattel zum Gipfelaufbau erreichten wir diesen.

Gipfeletappe über schotterbeschichtete Platten und dünne Schneefelder

Über plattigen Fels, der teilweise eine Firnauflage hatte, kämpften wir uns bei immer weiter aufmachendem Himmel empor, dem letzten Firnstück der Route entgegen. Normalerweise gibt es wohl mehr Firn am Gipfelaufbau. Die Gipfelwächte tropfte uns erwartungsvoll entgegen, und wir stiegen leicht von links hinauf. Hier oben war der Firn noch super und die Aussicht, die vom Wetter genau im richtigen Moment freigegeben wurde, war atemberaubend.

Blick vom Gipfel in die großen, eisigen Berge und das grüne, freundliche Tal

Den Gipfel erreichten wir um 10:31 Uhr und somit ca. 6h20 nach dem Aufbruch von der Glecksteinhütte. Wir entschieden uns, die Sicherungsstangen im Gipfelaufbau zum Abseilen zu nutzen und kamen so mit ein paarmal Abseilen zurück zum Firngrat, der zum Wettersattel führt. Dort war es etwas windgeschützter als auf dem Gipfel, und wir aßen unsere Gipfelschokolade.

"Im" Willsgrätli

Nach der Gipfelschokolade stiegen wir wieder auf den Willsgrat. Unseren Weg zurück fanden wir wegen der Schärfe des Grates relativ einfach. Über die Stelle, an der wir am Morgen gesichert hatten, seilten wir nun auch wieder ab. 

Abklettern mit Tiefblick

Im weiteren Verlauf des Abstiegs, der uns nach dem Grat wieder auf den Felsrücken führte, mussten wir besonders beim Übergang vom Kalk zum Granit noch ein bisschen genauer gucken, damit wir unseren Weg auch fanden. Unsere Beine wurden immer schwerer. Der Abstieg bis zur Hütte, die wir um 16:11 Uhr erreichten, zog sich noch einmal ziemlich. Inklusive zwei größerer Pausen und der Zeit auf dem Gipfel hatten wir für den Abstieg bis zur Hütte 5h40 gebraucht. Es waren ziemlich genau 12 Stunden vergangen, seit wir die Hütte am Morgen verlassen hatten.

Nachdem wir uns mit einem kalten Getränk gestärkt hatten, packten wir die auf der Hütte deponierten Gegenstände in die sowieso schon viel zu schweren Rucksäcke und machten uns an den Abstieg. Es sah mal so aus, als ob das Wetter halten würde und mal so, als ob es doch noch einen Schauer geben könne.

Nach der Tour vor der Hütte mit Hoffnung auf einen trockenen Abstieg

Wir konnten zu Beginn des Abstiegs ein bisschen mehr vom Hüttenweg sehen, als dies am Vortag der Fall gewesen war. Was wir sahen, waren tiefe und steile Hänge bis hinunter in die Schlucht, durch die das Wasser des Grindelwaldgletschers rauschte. Leider sollten wir auch heute nicht trocken bleiben. Nach ca. einer Stunde ging der leichte Niesel in stärkeren Niesel und Regen über. 

Um 19:20 Uhr (nach 2h40) erreichten wir unser Auto auf dem Parkplatz vor dem Hotel Wetterhorn. Unsere Knie waren vom Abstieg ziemlich fertig und wir hatten kaum noch Kraft in den Beinen. Wieder einmal waren die ganze Ausrüstung und unsere Kleidung total durchnässt. Aber wir hatten die Tour geschafft! Wir hatten sogar eine super Sicht vom Gipfel aus und nun warteten eine heiße Dusche und ein weiches Bett.

Daten aus dem Tourenspeicher: 4:12 2320m Hütte, 6:43 2957m Gletscher verlassen, 8:04 3216m Start Grad, 10:31 3662m Gipfel, 14:20 2944m Gletscher betreten, 16:11 2303m Hütte angekommen, 19:20 1238m Auto

1 Kommentar:

  1. Wow. Eine lange Tour und wieder einmal sehr eindrucksvolle Bilder. Besonders 6 und 8! Das Foto "Abklettern mit Tiefblick" sieht ja gruselig aus. Die Retusche des Seils ist euch gut gelungen :-)

    Mhh Gipfelschokolade...

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